V
9- 24. März 2023
In
einer Hinsicht haben doch alle ihre Heimat verloren - wir sind alle Migranten
aus dem Land
der Kindheit.
---------- Georgi
Gospodinow, zitiert nach Daniel Speck,
Piccola Sicilia
An
einem 29. August bin ich geboren, wie Michael Jackson zehn Jahre später
(er war berühmt, hochbegabt) und einen Tag nach Johann Wolfgang von
Goethes Geburtstag.
(Ich kann wirklich nichts dazu!)

Da
sieht man mich als Baby, auf dem Schoß meiner ältesten Schwester
und daneben hockt meine andere Schwester; wir sind jeweils vier Jahre
auseinander. Christa, die älteste, immer freundlich, nett und zuvorkommend.
Meine andere Schwester Heidrun und ich, wir sind da zurückhaltender.
(Dass man das schon an unseren Gesichtern ablesen kann, dürfte ein
Zufall sein. ;-)
Ich
bin ein Sonntagskind sagte man mir später, nachts um 2 Uhr geboren,
aber das weiß ich im Grunde gar nicht. - Aber welche frühe
Erinnerung hab ich? Ich hatte einen Russenkittel sonntags an, das war
sehr modern. Ich bin mal in der Gosse langgegangen und habe Pferd gespielt.
Böse Zungen behaupten, dass ich mir die Hosen runtergezogen habe;
Pferde hätten ja auch keine Hosen an. Da kam zu dieser Zeit ein "Honig"mann
in unsere Straße. Honig!!! Er hatte eine riesige Tonne, in die ich
hineinblickte und unsere Mutti kaufte davon.
Auch eine frühe Erinnerung ist, dass ich unsere Haustür mit
Matsch beworfen habe. Ich war aus irgendeinem Grund sehr wütend und
musste dann zur Strafe mittags ins Bett. Die Sonne schien so schön!!
Aber ich glaube, man hatte Mitleid mit mir, sodass ich dann schon bald
wieder raus durfte. Die beworfene Tür kann man auf dem Foto, wo ich
mit etwa 12 mit dem Pusterohr stehe. Anlass war das Kinderschützenfest,
bei dem wir keine Holzgewehre, sondern Pusterohre hatten, mit denen auch
der König "ausgeschossen" wurde. Es ist das älteste
Kinderschützenfest Deutschlands.

Dann,
dazu passend, der Ausmarsch der Schützen, direkt vor unserem Haus
und dem der Familie Frenz. Auf dem Foto rechts sieht man, dass das Haus
eine Dachgaube besaß. Da oben war aber nichts weiter, nur Abstellräume.

Meine
Mutter räumte dort oben gerade auf und ich, da war ich vielleicht
vier, sah eine Puppenstube, mit der meine Schwestern gespielt hatten.
O, damit möchte ich spielen. Aber meine Mutter entgegnete, dass das
nichts für Jungen sei. Auch mein Drängeln half nichts.
Das kleine gemietete Haus in der in der Bahnhofstraße 5 von Bevensen,
später Bad Bevensen, fand ich eigentlich ganz gemütlich. Meine
Eltern sahen das anders, da sie wegen der damaligen Wohnungsbewirtschaftung
das größte Zimmer abgeben mussten, auf dem Foto links von der
Haustür. Dort wohnte nun eine Flüchtlingsfamilie mit zwei Kindern.
Ich spielte ab und zu mit dem Mädchen,

Imke
vor unserem Küchenfenster
|
Imke,
etwa vier Jahre alt, der Bruder war zu klein für mich. Allerdings
hatte ich den Eindruck, dass die Frau unseren Kontakt nicht gut fand -
ihn allerdings auch nicht verhinderte. Der Mann war freundlich zu mir.
Zwischen meinem Eltern und ihnen gab es keinen Kontakt.
Die Nachkriegszeit, die 1950er Jahre. Die vielen Flüchtlinge hatten
es schwer, man hat sie wohl nicht mit Begeisterung aufgenommen. Ich habe
davon allerdings nichts mitbekommen, abgesehen von der Situation in unserem
Haus.
Wenn
man in das Haus reinkam, war links, hinter diesem großen Zimmer,
die Küche. Im Winter hockte ich mich auf eine Fensterbank und sah
dem fallenden Schnee zu. Hinter der Küche war ein Kinderzimmer. Da
schlief ich, nachdem vorher wir drei Geschwister dort geschlafen haben.
Wenn man den Flur weiterging, kam man auf den Hof. Gegenüber war
ein Schuppen, in dem unser Plumpsklo war und wenn ich dort mein großes
Geschäft machte, dann rief ich hinterher: “Mutti, ich bin fertig.“
Und Mutti kam, um mir den Hintern abzuwischen. Mein Nachbar und späterer
Lehrer machte sich immer darüber lustig. Über dem Klo war ein
Heuboden, auf dem ich manchmal spielte. Links neben diesem Schuppen war
eine unbebaute Stelle, die dann nach ca drei Metern mit einer hohen Mauer
vor dem Nachbargrundstück endete. (auf dem Winterbild unten gut zu
sehen) Diese unbebaute Stelle war eine lange Zeit ein Spielplatz für
mich, ich baute dort aus Matsch Straßen und Häuser, meine Freunde
hatten aber keine Lust da mitzuspielen. Weiter links war dann eine nicht
benutzte Garage, die dann das Grundstück nach links begrenzte.

Kurtchen
und ich
|
Auf
dem Dach der Garage haben wir dann öfter gespielt, bis ich da plötzlich
runtergeflogen bin, auf den Weg aus Feldsteinen. Meine Freunde liefen
in Panik davon, meine Mutter eilte bestürzt aus dem Haus und kümmerte
sich um mich, aber – o Wunder – ich hatte nichts und war recht
bald wieder ganz normal. Aber zu unserem Ärger durften wir nicht
mehr auf der Garage spielen.
Die Grenze zu unseren Nachbarn Frenz bildete ein Holzzaun bzw eine mobile
Holzwand; daneben
war ein Maschendrahtzaun mit einem bequemem Loch zum Durchschlüpfen.
(Foto links)
Da wohnte auch der erwähnte Lehrer im ersten Stock mit seiner Familie,
eine sehr nette Frau und zwei Mädchen, etwas älter als ich.
Er war kriegsverletzt und ihm wurde ein Posten in einem Ministerium in
Bonn angeboten; er schlug es aus, wohl weil er immer mal wieder Probleme
mit seiner Kriegsverletzung hatte. Ich fürchtete mich ein wenig vor
ihm, aber das war grundlos; seine beiden Töchter haben sich jedenfalls
nie über ihn beschwert.
Als Frenz’ heirateten, war ich vier oder fünf. Ich glaube nicht,
dass ich auf der Hochzeit war, aber ich habe zwei Hochzeitslieder in Erinnerung,
weil sie manchmal über den Hof ertönten, aus der Radio-Werkstatt.
Es waren die „Caprifischer“ von Rudi Schuricke und –
mir besonders im Gedächtnis – „Annelisse“ von Arno
Simon. Ich habe ja die Kapitel mit der zeitgenössischen Musik meines
Geschmacks "garniert", diesmal ist sie „fremdbestimmt“
;-)
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Familie Frenz hatte ein Rundfunkgeschäft, es gab also Radios, Musiktruhen
(!), die ersten Fernseher, schwarz-weiß; und er hatte ein Tonbandgerät.
Die Werkstatt war irgendwo oben und ich war als kleines Kind dort auch
zu „Besuch“. Ich hatte dann gesagt: „Mein Vati hat sowas
nicht!“, Herr F. nahm das mit dem Tonbandgerät auf und ließ
das im ganzen Hof ertönen. Einmal musste ich wohl auch eine Radioröhre
kaputt gemacht haben: Radioröhren ( die Vorgänger von Transistoren,
die Vorgänger von integrierten Schaltungen).
Als meine älteste Schwester schon arbeitete, kaufte sie sich dort
ein Radio, wo man seitlich eine Single einschieben konnte, dazu bekam
sie eine Single von Perez Prado geschenkt. Haben wir wohl tausendmal gehört.
Als ich mit ca zwölf die „aktuelle“ Musik für mein
Alter entdeckte, hörte ich Radio Luxemburg, das englische Programm
ab 19 Uhr auf der Mittelwelle, was anderes gab es nicht. Schräkelig.
Fading. Da hörte ich viel Musik, die man heute teilweise wohl als
Schmusemusik bezeichnen würde, aber vor allem hatte es mir „Sweet
Nothin’“ von Brenda Lee* angetan. (Diese
Live-Aufnahme von Brenda Lee hat in seiner Qualität den Charme von
den Mittelwellensendungen von Radio Luxemburg der 1960er Jahre.)
Ich
fand diese Platte (damaliger Jargon!) absolut super, meine Mutter fand
diese Musik furchtbar: „Ulle Jazzmusik!“ sagte sie unwirsch
dazu, aber im deutschen Radio, das war für mich der NWDR, lief nur,
was Musik angeht, Operetten- oder „Zigeunermusik“. Ich verwende
diesen Namen bewusst, damals wusste ich nichts von den Verfolgungen in
der Nazi-Zeit. (Jahrzehnte später, als ich als Lehrer mit meiner
10. Klasse in der DJH Ludwigsburg war, fuhren wir an einem Abend –
der Bus war die ganze Zeit da (Was für ein Luxus!) – nach Marburg
zu einem Zigeunerkonzert). Dass diese Musik im Radio gespielt wurde, war
immerhin ein kleiner Beitrag zur Rehabilitation der Roma. Aber mit zwölf
war das natürlich nicht meine Musik.
Beim Radio kann ich mich sonst nur an zwei Dinge erinnern: Walter Scherau
hatte eine sehr beliebte Rätselsendung, die Funklotterie des NDR.
Scherau hatte eine freundliche, sonore Stimme. Und dann, 1956, hörte
mein Vater abends die Nachrichten vom Einmarsch der Russen in Ungarn,
beklemmend. Meine Schwester Heidrun berichtete mir, dass er Angst hatte.
(Während ich das schreibe, ist gerade Krieg, der Angriff der Russen
auf die Ukraine ...)
Zurück zu Brenda Lee. Ich wollte unbedingt die Platte haben, aber
sie war in dem großen Katalog des Rundfunkgeschäfts nicht aufgeführt.
„Sowas gibt es nicht!“ Ja, so war das in den 1950er Jahren.
Unserer
Nachbarin Frau Frenz, also Tante Hertha, war ich sehr zugetan und sie
mochte mich auch. Da ich schon damals keinen Käse aß, bat sie
mich eines Morgens, als ich in ihrer Küche war, doch mal eine halbes
Brötchen mit Käse zu essen, "ich will nur mal sehen, ob
du das wirklich nicht magst." Ich aß das Brötchen, ihr
zuliebe, allerdings mit „Todesverachtung“ und „hochbeinig“,
wie sie sich ausdrückte. Aber damit war das Thema Käse erledigt.

Ein
Schneemann mit meiner Schwester Heidrun, dem Verwandten Hans-Herrmann
und ich. Hinten rechts sieht man die Wand des Schuppens, links die Garage,
dazwischen war der Spielraum, in dem ich mal Häuser und Straßen
aus Matsch baute.
Meine älteste Schwester Christa besuchte die Volksschule, sonst hätte
man Schulgeld zahlen müssen, das war in unserem Haushalt nicht drin.
Sie kam dann bald in die Lehre, nach Ebstorf, ich glaube, sie war erst
14. Dort musste sie schwer schleppen, was sich im Alter böse rächte.
Meine zweite Schwester ging zur Realschule. Wenn sie mit ihren Freundinnen
was unternehmen wollte, dann musste sie mich oft mitnehmen, sehr zu ihrem
Ärger. Manchmal unterhielten sie sich in einer Art Geheimsprache,
die ich nicht verstand und wütend wurde. Heidrun und ich waren aber
auch alleine mit dem Fahrrad unterwegs, einmal auf abenteuerlichem Pfad,
da kamen wir erst gegen sieben nach Hause, sechs war ausgemacht, da hatte
man sich schon große Sorgen gemacht.
An den Abend des 30. Juni 1958 erinnere ich mich über ein halbes
Jahrhundert später sehr genau. Es war warm, die Sonne schien, eine
Amsel saß auf dem nahen Schuppen und sang herrlich. Ich alberte
mit dem Hühnerfutter herum und meine Mutter ermahnte mich deshalb.
Das waren die letzten Stunden meiner wunderschönen Kindheit.
DIE SCHRECKLICHE VIER
Dieses Kapitel ist nur über diesen Link erreichbar.
Man kann es überspringen,
wenn man so Trauriges nicht lesen mag.
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Meine
liebe Oma

Sie
wohnte in der Pastorenstraße und war die Mutter meiner Mutter. Dachten
wir, war aber nicht so. Sie war "angeheiratet" und vielleicht
deshalb die liebste. "Deshalb" bedeutet, dass die Teppers alle
etwas gräsig waren, ist aber vielleicht nur ein Vorurteil. Als es
meiner Mutter immer schlechter ging, war sie immer zur Stelle und dann
wurde sie die wichtigste Bezugsperson für mich. Sie kochte Mittagessen
und lernte mit mir für den Konfirmandenunterricht. Das Eigenartige
war dabei, dass sie die Strophen schon auswendig konnte, wenn ich immer
noch "am Schwimmen" war. Aber sie war sehr geduldig.
Einmal
hatte ich die Strophen - wir hatten jede Woche ein neues Lied auf ("Später
werdet ihr mir mal dankbar sein!") - nicht gelernt, mein Freund auch
nicht. Das kam dann raus und wir sollten am nächsten Tag um vier
bei ihr, Fräulein Knapp, erscheinen. Brav wie wir waren, fanden wir
uns rechtzeitig ein, ein großes Donnerwetter fürchtend. Weit
gefehlt: wir wurden mit Kakao und Kuchen bewirtet und mussten das Versprechen
abgeben, dass wir ab jetzt immer alles auswendig lernen. Das versprachen
wir.
Und
dann kam die Konfirmation.
Ach,
da fällt mir noch etwas ein. Neben Superintendent Stünkel, nicht
nur von mir hoch verehrt, gab es noch Pastor B., allerdings nicht hoch
verehrt. Seine Tochter Annelotte war in meiner Grundschulklasse. Als wir
mal nachmittags zusammen spielen wollten, sagte der: "Mit dem spielst
du nicht!" Das hat dann wohl meine Ansicht von der Kirche beeinflusst.
Also
die Konfirmation. Auf dem Foto stehen wir in alphabetischer Reihenfolge.
Der Große neben mir war uns fremd, er war nur zur Konfirmation da.
Sein Name Baumgarten, glaube ich, jedenfalls der erste im Alphabet. Er
vertraute mir an, dass er nicht der erste sein möchte, wenn wir vor
den Altar treten. Warum nicht, dachte ich und musste es bitter bereuen.
Denn im Verlauf des Gottesdienstes sagte der Superintendent, der den Gottesdienst
durchführte: " Und nun kommt her ..." Und ich kam, als
einziger ging ich hin, Baumgarten hielt mich nicht zurück, denn es
war noch nicht so weit, und so war ich vorne und mir würde zugeflüstert:
"Was machst du denn hier?" und ich schlich peinlich berührt
zurück. Später traten wir dann alle nach vorne und der peinliche
Auftritt war wohl vergessen.

"Alles
klar?" , scheint er zu denken.
Zum Konfirmationskaffeetrinken kam der Superintendent extra zu uns, wegen
meiner Eltern.
Es war eine große Ehre für mich.
Zurück
zu meiner lieben Oma: Im Herbst saßen wir dann in der Stube, es
wurde dunkel und sie wollte Licht machen. Nein, sagte ich, wir machen
Dämmerstunde, das ist doch schön. Ja, es war schön und
wir hatten uns viel zu erzählen.
Ich
überlegte mir meine ersten Tramptouren, sie war sehr dagegen, aber
ich machte es doch. Erst
eine Deutschlandtour nach Süden bis Luxemburg, dann meine zweite
Tramptour nach England. Im nächsten Kapitel berichte ich ausführlich
darüber.
Zum
Abschluss der Würdigung meiner lieben Oma habe ich hier noch ein
Foto, das wohl irgendwann für einen Ausweis gemacht wurde.

Sie
heißt in meinen Aufzeichnungen "die liebe Oma", denn ich
hatte auch eine böse.

Sie war natürlich nicht böse; "gut" und "böse"
sind undifferenzierte Kinderbegriffe. Ich dachte deshalb an sie als böse
Oma, weil sie der absolute Kontrast zu meiner lieben Oma war. Auf meiner
ersten Homepage (= einem Blog ähnlich) habe ich die beiden verglichen
und der Text folgt hier original:
...
dialektik der kindheit: die liebe oma und die böse oma.
...
als meine mutter gestorben war, nahm meine liebe oma die mutterstelle
ein.
sie war milder als meine mutter.
...
mir fällt ein, dass meine böse oma
den gottesdienst am sonntag im radio gehört hat.
pah, diese hexe (hier ist die bedeutung eindeutig negativ gemeint),
das half auch nix,
hatte ich als kind schon gedacht,
was willst du mit dem gottesdienst?
...
"du bekommst für das erbsen-auspaalen 10 Pfennig."
dieses geld hab ich nie gesehen.
...
...
meine gute oma wollte auch den gottesdienst im radio hören,
sie hatte ein radio,
das irgendwie nicht funktionierte.
guck mal, jürgen.
natürlich hatte ich keine ahnung,
aber ich guckte
und sah staub auf der sicherung,
blies den weg - und - es funktionierte wieder.
sie strahlte -
...
nur ein einziges
mal gab es ein problem: das tomatensuppendrama.
ich habe mich nie mehr dafür entschuldigen können.
Homepage,
V 266
Das muss ich erklären.
Als Kinder der 1960er Jahre kannte ich nur die Tomatensuppe aus der Tüten,
simpel und billig. Aber meine Oma machte mir eine richtige Tomatensuppe
aus richtigen Tomaten; das hatte ich nicht erwartet und war sehr unwirsch.
- Was schrieb ich? ich
habe mich nie mehr dafür entschuldigen können. Es
ist eine Last, wenn man sich Jahre später an ein unmögliches
Verhalten erinnert und sich nicht mehr entschuldigen kann.
Was
mir bei meiner bösen Oma immer als erstes einfällt, ist, dass
sie keine Zähne mehr hatte und deshalb einen Keks erstmal in den
Kaffee tunkte, um ihn essen zu können. Ich hatte kein bisschen Mitleid
mit ihr. Das kommt schließlich auch von unserer allerersten Begegnung
Jahre zuvor, zu Weihnachten. Am ersten Weihnachtstag kamen die "Jarlitzer",
also die Verwandten väterlicherseits, in Bevensen vorbei. Meine böse
Oma betrat die Stube, sie hatte eine Leberwurst, einen Ring, in der Hand
und der segelte in den Schoß meiner Mutter, begleitet von
den Worten: "Da hest du dien leberwost!" Als Kind ohne Erfahrung
war ich nicht fassungslos, sondern nur erstaunt.
Ich war ja in den Sommerferien ein- oder zweimal in Jarlitz, meine Schwestern
jahrelang, Neid, Neid, Da spielte sich die Geschichte mit den Erbsen ab.
Und da musste ich mal, ging in das neue Badezimmer, der ganze Stolz der
Familie, und pinkelte ins Waschbecken. Ich schäme mich bis heute
nicht. "Das riecht im Badezimmer so komisch!"
Ja
und dann kam der Vorfall nach dem Abendessen. Ich war fertig und wollte
mich auf den Rücken von Rolf, dem Haushund, setzen, der war aber
offenbar so erschrocken, dass er mir in die Wange biss. Ich erinnere mich
nicht mehr daran, dass mein Onkel mit dem Fahrrad nach Rosche fuhr wegen
eines Arztes. Alles nicht so schlimm, beruhigte man mich, immerhin schrieb
(wir hatten kein Telefon) man meinen Eltern, mein Vater kam dann sofort
angebraust, er war bestürzt und nahm mich mit zu unserem Hausarzt.
Der bestrich, damals üblich, die Wunde mit Jod, brannte höllisch,
aber ich überlebte. ;-)
Was ich bei Familienfeiern in Jarlitz so erlebte, mal weniger wichtig
und total wichtig. Weniger wichtig: Mein Onkel schenkte mir eine Zigarrenkiste,
die ich zum Spielen haben wollte. Da war ein älterer Mann, vielleicht
ein Student. Der brauchte die auch und dann nahm mein Onkel mir die wieder
weg und sagte, ich kriege die nächste Kiste. Bekam ich natürlich
nicht.
Wichtig: Einmal waren wir nach dem Tod meiner Eltern da und mein Onkel
regte einen Gang im Dorf vor dem Mittagessen an. Einige Männer, wir
waren ca zehn, ich war nun auch dabei. Man ging durch's Dorf und als man
zur Dorfkneipe kam, ging man hinein.
Wir saßen am Stammtisch und als die Bedienung kam, bestellte mein
Onkel eine Runde, d h ein Bier, ein Korn. Ich erwartete, dass man mich
fragte, was ich denn wolle, "Und Kleiner, was willst du?",die
Frage kam aber nicht, stattdessen stand dann vor mir ein Bier und ein
Korn, wie bei den anderen. Eigentlich war ich Anti-Alkoholiker und jetzt
dieses Problem, einerseits das, andererseits diese Anerkennung, dass man
schon nicht mehr Kind war. Ich trank also mit, es wurden mehrere Runden
und als wir verspätet zum Essen kamen, war unsere Tante Ella wegen
des Essens total sauer. Ich trank an dem Abend dann noch mehr und war
zum ersten Mal in meinem Leben (in Anwesenheit meines Onkels, der da schon
mein Vormund war) völlig betrunken.
Über
meine Verwandten
kann ich kaum richtig Gutes sagen. Meine Eltern nehme ich aber aus. Mein
Vater, von dem hab ich das heitere Gemüt, sagte oft:"Lass ihn
doch!" meine Mutter war etwas streng, Sie war für alles verantwortlich
und das Geld war knapp.
Mein Onkel (mein späterer Vormund) war gutmütig, hat aber zwei
(kleine) Versprechen nie eingelöst und als ich die Kühe wegtreiben
sollte (Hatte ich schon mal eine Kuh von nahem gesehen?) sagte er zu mir:
"Ulle Bangbüx!"
Ein
besondereres Kapitel verdient meine Tante
väterlicherseits
Es muss also ungefähr zur Hannover-Kolleg-Zeit gewesen sein, da hatte
meine Tante ein Jubiläum als Diakonisse. sie hat auch mich dazu eingeladen,
ins Henriettenstift in Hannover.
------- Um alles zu verstehen, muss ich jetzt nochmal meine Situation
beschreiben. Mit 14, obwohl von meiner älteren Schwester aufgenommen,
war ich bereits für mich allein verantwortlich, mit 16 in Hannover
völlig allein, in gewisser Hinsicht musste ich mit 14 erwachsen
sein. Ich achtete wenig auf meine Kleidung, sodass mein Freund H., (der
nach England ging) mal zu mir sagte, er bewundere mich, wie gleichgültig
mir meine Kleidung sei.
I n späteren Jahren, als ich mir Fotos anschaute, war ich nun aber
so entsetzt, weshalb ich u a deshalb seit Jahren schwarz trage. (einer
von vier Gründen.)
Also zu diesem jubiläum, wo die Leute festlich gekleidet waren, trat
ich mit meinen "schlichten" Klamotten auf. Das traf wohl meine
Tante sehr und ich sagte, ich fahre nach Hause und ziehe mich um (einen
Anzug hatte ich nicht), hab ich dann auch ihr zuliebe gemacht, hat ihr
vll nicht gereicht.
Anlässlich des Todes meiner Tante fuhren meine älteste Schwester
und ich nach Hannover zur Beerdigung und gleich danach habe ich einen
Gedenktext geschrieben.

Zu
diesem Bild: im Garten des Hofes meines Onkels, meines Großvaters
(den ich nie kennen gelernt habe) sitzt meine Tante in vollem Ornat mit
uns drei Geschwistern im Gras. Ein Erinnerungsfoto: jetzt erinnere ich
mich daran!:
Unheimlich eigentlich: Auf dem Hochzeitsfoto meiner Eltern (ca 15 Jahre
vorher), da sieht sie genauso aus wie auf diesem Bild. Ihr Aussehen war
in den 2000er Jahren, als wir uns in Hannover begegnet sind, immer noch
so. (Sie ist fast 100 geworden.) Meine Großväter sind dagegen
nicht alt geworden, sie wurden durch die Kriege dahin gerafft.
Und jetzt: warum dieses Bild?

Ich
habe es an mich genommen, als der Nachlass meiner Tante unter uns Hinterbliebenen
aufgeteilt wurde. Ich hatte es etwas anders in Erinnerung, aber nahm es
trotzdem.
Meine
Tante hat auch gesungen, auch im Alter hatte sie eine Jung-Mädchen-Stimme.
Bei der Beerdigungsfeier im Henriettenstift fragte ich danach und es wurde
mir gesagt, dass die Ursache die jahrelange Übung sei. Leider habe
ich kein akustisches Beispiel meiner singenden Tante, aber bei meinen
Nachforschungen habe ich CDs zugeschickt bekommen, auf denen genau der
Chor singt, nur ein paar Jahre nach der aktiven Teilnahme meiner Tante.
Der Ausschnitt ist eine
live-Aufnahme einer musikalischen Vesper in der Kirche des Henriettenstifts
in Hannover.
Fehlt
noch der Bruder meiner Mutter.
Mit dem hatte ich wenig zu tun, obwohl meine liebe Oma im gleichen Haus,
das Vaterhaus meiner Mutter, wohnte. Er war mit einer Frau verheiratet,
die nach meiner rückblickenden Einschätzung schwer depressiv
war. Als sie starb, heiratete er die Mieterin, die in der Wohnung wohnte,
die früher meine liebe Oma hatte.
Da
fällt mir noch was ein: Es geht um meinen cousin, also der sohn des
eben Genannten. Ich sammelte im Alter von 10 oder 12 Micky-Maus-Hefte
und bastelte mir für meine Sammlung zwei Ordner. Die wollte er sich
mal ausleihen, großzügig gestattete ich es ihm - und bekam
die NIE zurück!
Schulzeit
Meine Grundschulzeit war schön. Ich ging zusammen mit meinem Freund
Hänschen in die gleiche Klasse; Hänschen, das war der Neffe
von Tante Hertha. Unser Klassenlehrer war Herr Alpers, den wir alle liebten,
er war schon der Klassenlehrer von meinen beiden Schwestern. Da ich mich
an kaum jemand anderen erinnern kann, muss er uns wohl in allen Fächern
unterrichtet haben. Aus gewissen Anlässen heraus machte er für
uns auch mal Aufklärungsunterricht, der aber total in die Hose ging.

Hänschen
und ich
Aber, aus der Rückschau sehe ich das erst, er war äußerst
geduldig mit uns. Zu sehen am Beispiel Jahrmarkt, dort gingen wir hin
und ich erwarb ein billiges Taschenmesser, das ich stolz Herrn Alpers
zeigte. Schrott, würde ich heute sagen, aber er sah alles freundlich
an.
Einmal musste unsere meist brave Klasse doch nachsitzen, aber er befreite
zwei Schüler, u a mich davon, indem wir die Klassenarbeitshefte zu
ihm nach Hause bringen durften. Das war immerhin ein Vertrauensbeweis,
aber eigentlich sollte so eine Bevorzugung nicht vorkommen. Und in diesem
Fall rächte es sich sofort. Es war nämlich Sommer und plötzlich:
hitzefrei! Und so sagten ein paar Mitschüler „Ätsch!!“
zu uns, als wir ihnen unterwegs begegneten.
Ein Ereignis für den Elternabend wurde lange vorbereitet. Es war
„Das klinkesklanke Lowesblatt“, ein Theaterstück von
Herrn Alpers, das wir viele Stunden übten. Ich bekam die Hauptrolle
und spielte einen Prinzen und musste am Ende des Stückes die erwählte
Prinzessin küssen. O, es gab darüber Geraune und bei mir Aufgeregtheit
und Ängste. Aber es kam anders. Aus Gründen, die wir nie erfahren
haben, wurde das Stück abgesetzt und nie wieder erwähnt. Was
wohl der Grund war? - Ich hatte mit dem Auswendiglernen meiner Rolle kein
Problem gehabt, wie es dann bei dem späteren Auswendiglernen bei
den Chorälen der Fall war.
Gegen Ende der Grundschulzeit gab es eine mehrtägige Prüfung
für die Mittelschule. Ich glaube, sie wurde nur für die Schüler
durchgeführt, die nicht auf der Volksschule bleiben wollten, wie
Hänschen z B., er blieb aber mein Spielkamerad.
Die Mittelschule hatte ein ganz neues Gebäude, unsere Klasse war
im ersten Stock, ganz links, wenn man vor dem Portal stand. In meiner
Jungenklasse, die Klassen waren nach Geschlechtern getrennt, habe ich
mich nie so richtig wohl gefühlt, das wurde erst im Laufe der 10.
Klasse deutlich besser, aber da war die Schulzeit schon zu Ende.
Herrn Gaude hatten wir als Klassenlehrer, die ganze Zeit (?), unser Verhältnis
war nicht gut und nicht schlecht. Er war etwas streng, erst auf den Klassenfahrten
wurde er lockerer und zugänglicher.
Englisch hatten wir bei Dr. Hoffmann. Er hatte immer ein schriftliches
Konzept für die Stunde, das er auf die Innenseite von Briefumschlägen
geschrieben hatte. Klaus und ich schummelten bei Arbeiten, indem wir die
Arbeit mit Bleistift vorschrieben, das ging, weil der Arbeitsauftrag klar
war, Fehler wurden von uns selbst eingebaut. Als ich bei einer Arbeit
bei den unregelmäßigen Verben den Strich des „d“
nicht sehr hoch machte, bekam ich statt einer 1 eine 2. Klaus radierte
mal die sichtbaren Bleistiftstriche weg; was machst du da?; ach, da war
es dreckig!
Überhaupt war er sehr komisch. Wenn irgendwas ausprobiert, angewendet,
vorgelesen werden sollte, war er in der ersten Minute unzufrieden und
rief Rudolf Richter auf, der alles richtig machte. Realsatire, aber so
war das. Einmal sah ich Rudolf Richter mit einem Blumenstrauß zur
Wohnung von „Lesch“ (so hieß der Lehrer in der Klasse
meiner Schwester) gehen und konnte mir darauf keinen Reim machen. Merkwürdig.
Aber zum Schluss kam das größte. Er kündigte uns an, wenn
wir ihm nach der Schulzeit auf der Straße begegnen würden,
dann würde er die Straßenseite wechseln. Wir haben das für
einen schlechten Witz gehalten, aber, einige Wochen später kam er
mir entgegen und ging tatsächlich auf die andere Straßenseite.
Wohl erst in der 9. Klasse bekamen wir den Kunstlehrer Reis, von sich
sehr eingenommen. Er hatte eine Sendung beim NDR Fernsehen, den Indianerclub.
Davon sprach er viel und einige Schüler durften dort mitmachen. Ich
nicht und war ein bisschen neidisch. Außerdem fuhren wir mit ihm
nach Braunschweig, dort gab es ein experimentelles "Puppen"theater;
innovativ und engagiert war er. Hatten wir nicht auch den Besuch der Gemälde-Ausstellung
von Caspar David Friedrich in Hamburg ihm zu verdanken? Eine große
Werkschau, die gibt es nie wieder!
Sport war für mich nichts, weil ich nicht gut war. Als ich dann Jahrzehnte
später das Sportabzeichen machte, dachte ich, dass manche von den
Guten von damals das jetzt nicht mehr schaffen würden. Spätentwickler,
in jeder Hinsicht! Im Sommer war ich schlecht, Leichtathletik konnte ich
nicht; im Winter war ich gut, Barrenturnen und so was. Im Sommer bekam
ich eine 4, korrekt, im Winter eigentlich eine 2, aber da ich im Sommer
eine 4 hatte, nur ne drei. Eine Logik, die Kinder zur Verzweiflung bringt.
Aber da bekamen wir den Lehrer Tiemke und der spielte mit uns Prellball;
man könnte sagen, dass Volleyball diese Sportart später ablöste.
Die Cracks wählten ihre Mitspieler aus und – jetzt kommt’s
– der Lehrer spielte selbst mit, mit den schlechtesten Schülern!!
Also auch mit mir. Bis heute hat er meine Bewunderung. Es geht noch weiter,
ich schrieb gerade von Spätentwickler. In dieser Gruppe wurde ich
besser und besser und gehörte schließlich zu den besten Spielern.
Auch wenn die Angabe beim Volleyball nicht gleich ist, habe ich bei meinen
späteren Volleyball-Spielen davon sehr profitiert.
An den Deutschunterricht kann ich mich nur wenig erinnern, obwohl Deutsch
doch mein Lieblingsfach war. Wir hatten am Anfang u a Herrn Sp., und später
Herrn Sanne. Mit Herrn Sp. verbinde ich zwei Geschehnisse. Wir hatten
seit ein paar Wochen einen neuen Schüler, der sich für unsere
Verhältnisse geradezu extrem höflich oder vornehm ausdrückte.
Er kam einmal zu spät, wurde an der Tür von Herrn Sp. abgefangen.
Der Schüler antwortete, auf eine Zurechtweisung hin, die er nicht
verstand (wir auch nicht!) "Würden Sie mir bitte ..." und
da brüllte der Lehrer los; die ernstgemeinte Höflichkeit fasste
der Lehrer als Provokation auf. - Als Merkwürdigkeit blieb mir das
zweite in Erinnerung: Aus irgendwelchen Gründen war der Sohn dieses
Lehrers in unserer Klasse. Wir hatten die ehrenvolle Aufgabe, für
die Stadt Bevensen einen schönen Text zu schreiben, vielleicht für
einen Prospekt oder so. Dass mein Text so gut war, um ausgewählt
zu werden, war meinen Mitschülern klar. Aber da stellt sich Herr
Sp. vorne hin und erklärt mit vielen, vielen Worten, dass der Text
seines Sohnes besser sei als meiner. Ich glaube nicht, dass das stimmte.
In
der 9. oder 10. Klasse bekamen wir den Deutschlehrer Sanne, ein sehr lieber
älterer Herr. Ich fand ihn gut, saß in der vordersten Reihe,
war mal albern und er musste nur leise auf seine freundlich-murmelnde
Art „Jürrgen!“ sagen und schon war ich wieder brav.
Wir haben ihm zum Abschluss ein Buch geschenkt und – wie das Schicksal
so spielt – ist dieses Buch irgendwo antiquarisch aufgetaucht, mit
unserer Karte drin.

Klassenfahrten
gab es auch, wir standen an der deutsch-deutschen Grenze in Brome, einem
geteilten Dorf, waren im VW-Werk in Wolfsburg und haben vor allem eine
Wanderung durch den Harz und dann noch eine Klassenfahrt nach Sylt gemacht.
Beides tolle Wanderungen. Hier war unser Klassenlehrer relaxt; ein Harz-Heimleiter
hatte eine gewisse Affinität zu den Duschräumen der Mädchen.
Hänschens Mutter hatte eine große Gärtnerei und wir spielten
gerade hinten im Garten, als man uns ins Haus rief. Dort war gerade seine
Mutter am Kartoffeln schälen und sie sagte uns, dass Hänschen
nicht mitfahren könne, stattdessen dürfte ich mit seinem kleinen
Bruder, Rolfi, ins Zeltlager nach Sylt fahren. Mein Vater war schon gestorben
und meine Mutter hatte natürlich nichts dagegen und es wurde auch
eine schöne Fahrt. Abends kraxelten wir über die riesige Wanderdüne,
was heute streng verboten ist, und wir mussten abgesperrte Gebiete meiden
wegen möglicher Munition aus dem Krieg. Ich habe mich nie für
die Syltfahrt bedankt, trotz der Dankbarkeit, die ich spürte, ich
war scheu, irgendwie.
Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich noch eine Rote-Kreuz-Freizeit, zwei
oder drei Wochen im Harz, für Kinder, die aus sozialen Gründen
mal raus mussten.
Nach
Deutsch war Chemie MEIN Fach! In keinem anderen Fach schrieb ich in den
Arbeiten IMMER eine Eins. Eigentlich unvorstellbar! Aber es war so!
Meine Chemieexperimente haben sozusagen meine Schulzeit auf der Mittelschule
begleitet; die Chemikalien besorgte mir meine Schwester Heidrun aus der
Apotheke.

Ich
versuchte auch kleIne Raketen herzustellen und bekam das dann ganz gut
hin; habe ich alles protokolliert. Einmal hatte ich eine Rakete fertig,
ich war ungeduldig und entzündete dies in einer Schale in meinem
Zimmer - sonst immer draußen. Die brannte sehr, sehr gut und ich
bekam mehr und mehr Panik, sie zischte und zischte und zischte ... Ein
Wahnsinnsqualm kam aus dem dann geöffneten Fenster meines Zimmers,
aber es hat wohl niemand bemerkt. Endlich war sie ausgebrannt! Nie wieder,
dachte ich, ich hätte das ganze Haus abfackeln können.
Ich
hatte einen einfachen Schreibtisch und gut sichtbar hatte ich dort einen
Zettel. Dort standen die drei Möglichkeiten drauf, was ich nach der
10. Klasse machen sollte. Als Vollwaise war mir klar, um alles, was
meine Zukunft angeht, muss ich mich selbst kümmern. Auf dem Zettel
stand 1. Chemieschule 2. Abitur in Uelzen und 3. weiß ich nicht
mehr. Uelzen war illusorisch für mich und da sind mein Onkel und
ich mal nach Hannover gefahren, um mich in der Chemieschule Poulsen-Nautrup
anzumelden und im Sozialamt vorbeizufahren. Leider hatte er in Celle beim
Abbiegen einen kleinen Unfall.
Ich bedauerte das.
In diesen Tagen verdiente ich mir etwas Geld, indem ich einen Koffer mit
Arzneimitteln zum Bus getragen habe. Diese Beschäftigung mit dem
Koffer verdankte ich meiner Schwester Heidrun, die eine Ausbildung in
der Apotheke machte. Beim Warten habe ich den Aktuellen Plattenteller
gehört, eine Musiksendung im ziemlich neuen Deutschlandfunk. Nie
vergesse ich den Moderator, Peter Puder, der auf eine Zuschrift, dass
man doch bei der Platte XY im Hintergrund Pferdegetrappel höre, nein
sagte, da ist kein Pferdegetrappel. Auch ich hörte das Getrappel.
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