Übersicht Autobio --www.jotbezev.de --------------------- V 8- 10. September 22
1960ff Nach
der mittleren Reife kam ich 1965 nach Hannover. Auf dem Bild sollte ich
eine Rede im Schloss Waterloo halten (hab ich auch); den Anlass weiß
ich nicht mehr. "Schloss Waterloo" nannten wir liebevoll unser
Jugendwohnheim am Waterlooplatz 16 in Hannover mit der von allen akzeptierten
Leitung, dem verehrten Waldemar Siesing!
Hannover eines
tages war ich dann ein normaler schüler der chemieschule poulsen-nautrup
mit der abschlussperspektive eines chemotechnikers, später dann chem
techn assistent genannt. der unterricht bestand aus einem tag theorie
und einem tag praxis; im wechsel also. die arbeitsbögen waren sehr
gut, hab ich leider später in einem wutanfall vernichtet. es gab
unterschiedliche lehrer, an herrn mineur kann ich mich noch erinnern,
der mochte meine haarlänge nicht, hat er aber nie gesagt. bei ihm
hatten wir physik. er zeigte mal, wie man einen stecker aus der steckdose
zog und kommentierte: so macht das eine frau. geraune. bei einem betriebsleiter
der firma pelikan hatten wir auch stunden, bei ihm hab ich mich später
beworben und war dann ein jahr bei pelikan. dann war ich erstmal als chem techn assistent bei den pelikan-werken in hannover nord im labor. ich dachte schon jetzt daran, das abitur nachzuholen, und dieses eine jahr im labor hat mich darin bestärkt. als chem. techn. assistent war ich lediglich unterer ausführender bei irgendwelchen untersuchungen, wir haben zb patente nachgearbeitet, immerhin nicht uninteressant. ich war helfer von einem hochqualifizierten menschen, herrn r. (ich glaube, er war chemotechniker, das ist die alte berufsbezeichnung für den chem techn assistenten), er hatte also keinen akademischen grad; deshalb wurde er nicht wie ein akademiker eingesetzt. es war aber gerade ein neuer akademiker eingestellt worden, der meinen "chef" dauernd gefragt hat. das ganze fand ich sehr unfair. herr r. wirkte wohl auf viele nicht so gefällig // angenehm // freundlich, irgendsowas (vll wurde er deshalb so behandelt?). wir beide kamen aber sehr gut miteinander aus. einmal kam ein vertreter einer chemiefirma an und den musste ich "übernehmen", obwohl ich ja nicht so recht bescheid wusste. ja, das war schon merkwürdig; mein herr r. mochte keine fremden menschen. - diese eindrücke verarbeitend verstärkten sich meine überlegungen in bezug auf ein studium, das der chemie. aber, schnief, der literatur war ich doch immer sehr zugetan!? ich vertagte die entscheidung auf die zeit nach dem abitur. habe die aufnahmeprüfung für das hannover-kolleg abgelegt und bestanden. wir hatten einen tollen literaturunterricht, u a über den schriftsteller arno schmidt. wir waren begeistert von seinem buch "das steinerne herz". (viele bücher habe ich von diesem merkwürdigen und elitären einsiedler gelesen. "tina oder über die unsterblichkeit" - herrlich!) ein gewaltigen kick in richtung germanistik. unser deutschlehrer hieß carz, war 29 und ich, anfang zwanzig, hielt ihn für alt. leider haben wir uns mit ihm so überworfen, dass wir schließlich seinen unterricht bestreikt haben und solche sachen. bei einer aussprache, daran erinnere ich mich, sagte einer, jürgen, sag du doch mal was. ich fand es wohl sinnlos und so schwieg ich. dann sagte derjenige, ja, wenn jürgen nichts sagt, dann sagt keiner mehr was. dieser rolle war ich mir gar nicht bewusst, auch wenn ich in den personalrat gewählt worden war. aber wir waren hier ziemlich resigniert. es gab nicht alle normalen fächer auf dem hannover-kolleg, bio zb leider nicht, englisch war anfangsunterricht, da machten wir das gleiche wie auf der realschule und vom chemieunterricht, auf den ich vorher sehr positiv geblickt hatte, hab ich mich beurlauben lassen. der chemielehrer fing mit den griechen an, feuer, wasser, erde, luft, da bin ich fast geplatzt. für die anderen war das sicher ein interessanter ansatz, aber für mich mit meinen chemie-kenntnissen war das unzumutbar. (ich hätte das sehr viel diplomatischer anfassen können, aber diplomatisches verhalten musste ich erst lernen; schließlich musste ich praktisch mit 14 erwachsen sein und da fehlte eben manches.) im physik-unterricht erinnere ich mich an eine schöne situation. physik ist keineswegs mein lieblingsfach, der anfang ist zunächst banal, mechanik etwa, und dann geht es mit formeln los und bei "zeit zum quadrat = t hoch 2" schaltet mein gehirn ab. chemie ist für mich was ganz anderes, obwohl ich in meinem späteren chemie-lehrer-studium in oldenburg erkennen musste, dass die chemie nur ein spezialgebiet der physik ist. (biologie und medizin letztlich ebenso und über allem thront die königin mathematik! ich greife mit dieser anekdote vor: im chemie-studium fragte ich einmal meinen prof, ob denn die chemie und die biologie als spezialfälle der physik anzusehen seien. neeeein, sagte er, machte dann eine lange ausführung, die mit einem (unausgesprochenen) ja endete. - er war aber ein lieber kerl, wir haben mit ihm manchmal trivial persuit gespielt. er wusste viel, nur klatsch nicht. ;-)
zurück zum physik-unterricht. unser lehrer g. baute eine schaltung auf, es funktionierte nicht. ratlosigkeit. ich verglich den schaltplan an der tafel mit dem versuchsaufbau und sagte, das blaue kabel muss nicht da, sondern da angeschlossen werden. puuh, das war richtig, die lampe brannte. sicher eine kleinigkeit, doch ganz nett.
auf meinem zimmer im "schloss waterloo" (jugendwohnheim) rechnete die aufgabe, war ihr auch gewachsen, hatte das ergebnis aber nicht herausgefunden, da ich wohl irgendwo einen denkfehler gemacht hatte. ich wurde von meinem mathelehrer (wieder herr g.) zur prüfung gerufen und ich raunte ihm zu, dass ich das ergebnis nicht hätte. die prüfung lief gut, ich konnte die aufgabe ja und bevor es zur lösung ging, ein mehrschrittiger weg, sagte herr g.: wunderbar, dann schreiben sie mal das ergebnis an und nannte mir das ergebnis, wow! ich konnte dann die folgenden fragen gut beantworten und nach der notenbesprechung wurde mir sogar eine eins verkündet und einer aus der prüfungskommision rief mir zu, herr behn, wir brauchen noch mathelehrer. vll war das ironisch gemeint, aber mir hat das sehr gefallen. nun stand ich vor der frage, soll ich mich mit dem lehrerstudium der germanistik zuwenden oder entspr meinem beruf der chemie. ich wendete mich an unseren schulleiter o. und er riet mir zu germanistik mit politik (ein über alle maßen beliebtes fach), denn wenn ich germanistik und chemie machen wollte, müsste ich in ganz andere bereiche der universität gehen. das leuchtete mir damals ein, später nicht mehr. ich studierte also germanistik und politik, wobei ich mit dem fach politik in der schule erst warm wurde, als man das internet verwenden konnte; zB diskutieren mit wahlergebnissen von gestern und nicht mit zahlen, die im buch etwa vier jahre alt waren; d h von der wahl vor vier jahren. so war das, unglaublich heute.
also schrieb ich mich in der tu hannover für germanistik und politik ein. bei der einschreibung gab es eine große schlange und mitschüler rolf, der weiter vorne war, rief, was ich denn machen wolle. lehrer war für mich klar und ich antwortete ihm: lehramt für realschule. "bist du bekloppt", rief er. als ich dran war, ließ ich mich für lehramt an gymnasien einschreiben - ich hab es nie bereut. 1969 gab es die rote-punkt-aktion in hannover. war das toll. die straßenbahn wurde bestreikt und fuhr tagelang nicht. die leute standen zum feierabend an der haltestelle und … jetzt die rote-punkt-aktion: wer ein auto hatte, fuhr dann zur haltestelle und nahm leute mit. einer von uns hatte einen VW-bus von seiner firma und so fuhren wir hin und fragten: wer muss weit weg, und dann luden wir leute ein. das haben wir öfter gemacht. herrlich! dieses tolle gefühl der solidarität!
dies ist ein screenshot des kleinen films: Rote-Punkt-Aktion in Hannover. hinten sieht man einen VW-bus. das waren wir - ganz bestimmt. 769 60er nachschlag T2
Trampen
1/2 ich fasse erstmal einige fahrten nach bevensen zusammen. am sonnabend morgen, kein unterricht in der chemieschule, bin ich mit der straßenbahn richtung altwarmbüchen gefahren und noch ein, zwei kilometer zu fuß gelaufen; heute ist das alles autobahn. einmal wurde ich von einem betrunkenen mitgenommen. betrunkene waren besonders hilfsbereit. ich glaube, mein fahrer hatte auf der strecke in eschede kurz was zu erledigen, ich könnte ja weiter versuchen. wenn es nicht klappt, nimmt er mich weiter richtung bevensen mit. nee, nochmal in dieses auto, nein, ich versteckte mich hinter ein paar bäumen an der straße und wartete ihn ab, immerhin hatte ich diesmal genug zeit; als tramper hat man die meist nicht; zeit ist nicht kalkulierbar. dann kam das auto, fuhr an mir vorbei und ich konnte wieder an der straße stehen und die hand rausstrecken. einmal nahm mich eine frau mit, wir waren uns gleich sehr sympathisch. möchten sie ein belegte scheibe brot, ich hab noch eine. gern, ich hatte hunger. auf halber strecke war sie zuhause, nur wenig entfernt von der bundesstraße. ob ich kurz mitkommen wolle, bei ihr zu hause läuft ein fest, ich fahre sie dann wieder zur straße. viel weiß ich dann nicht mehr, nur dass sie mir gleich ihre tochter vorstellte, die aber keinerlei interesse hatte, mit mir zu reden. hinterher dachte ich, dass die frau es schade fand, dass ihre tochter so desinteressiert war. sie brachte mich dann zurück zur bundesstraße und mich nahm dann bald jemand mit. einmal kontrollierte ein motoradfahrender polizist meine papiere. als ich mal bis uelzen kam, noch 15 km, stand ich am ortsausgang. ein auto fuhr vorbei, der fahrer machte dieses zeichen: "bin nur vor ort unterwegs"; tja, mensch, warum nimmst du mich nicht mit, denn ich wollte auch „nur“ vor ort bleiben, das war der chef vom eiscafé pellegrini aus bevensen. als ich einmal zuhause angekommen war, sagte mein schwager zu mir: du gehst erst zum friseur, dann kannst du hier übernachten. nein, sagte ich, und ging zu meinem freund michael, wo ich übernachten konnte. meine
haare waren jahrelang immer wieder thema.sowas gibt es heute nicht mehr. die mutter von meinem schwager war herzensgut, wie man so sagt, und sie fand das nicht gut von ihrem sohn. das leben ist so kurz, sagte sie, warum muss man sich das unnötig schwer machen. mein schwager war an sich auch wie seine mutter. schließlich nahm er mich zwei jahre in seinen haushalt auf, die hätten mich sonst ins waisenhaus gesteckt. aber wir haben keinen draht zueinander gefunden. darunter litt auch meine schwester etwas. im grunde hab ich ihm nie gedankt, mich aufgenommen zu haben und deshalb kümmere ich mich nach seinem tod auch besonders um meine schwester. weil ich ein schlechtes gewissen habe. bei toten kann man sich nun mal nicht mehr entschuldigen. wo ich in überall rumgefahren bin, weiß ich heut nicht mehr genau, frankfurt, köln, trier, luxemburg, england. da war ich auf jeden fall. ich
wurde direkt am grenzübergang nach luxemburg abgesetzt. ich ging
über die grenze und wartete dort, um meinen ausweis vozuzeigen. der
grenzbeamte herrschte mich an, gehen sie doch weiter, hier gibt es nichts
zu kaufen. wenn man die tortur der DDR-grenze kannte, dann war das ein
erlebnis! über die grenze ohne kontrolle!! auch in england gab es
lediglich den immigration officer, der ließ einen freundlich weiterziehen,
nachdem er ein paar fragen gestellt hatte. einmal
nahm mich ein herr im citroën DS21 mit, ein ziemlich teures auto.
er erzählte so allerlei, schmiss eine plastiktüte aus dem fenster
und sagte, die produziere er und wenn es mal blöd kommt, dann fahre
ich woanders hin, die welt ist groß. ziemlich ekelhafter typ. in
köln war ich in der jugendherberge, ich frankfurt besuchte ich die
mannschaft des dortigen linken buchladens. es gab bei dem frankfurter
und dem berliner buchladen einen himmelweiten unterschied. in frankfurt
war ich praktisch nur zur kenntnis genommen worden, aber nicht unfreundlich.
mehr aber nicht. in berlin hatten wir uns zwar vorher angemeldet, aber
da waren wir ganz offensichtlich willkommen. wir konnten da übernachten,
feierten zusammen und besuchten einmal ein konzert eines alten blues-musikers,
champion jack dupree. auf einer rückfahrt (regen, regen – gab es es auch mal) nahm mich ein geistlicher aus fulda mit, er war wohl enttäuscht, dass ich nicht nach fulda wollte. welch ironie des schicksals, da ich doch mein referendariat jahre später in fulda absolvierte. (763) 60er 3 Trampen 2/2
![]() eines tages sagte ich meiner lieben oma, (ich liebe sie noch heute über alles! auf dem foto sind meine ältere schwester christa, der drömel bin ich - wie ich da kucke -und meine liebe oma auf einer feier), dass ich eine tramp-tour nach england machen will, sagte ich meiner lieben oma. mach das nicht, sagte sie, wohl wissend, dass ich das trotzdem machen würde. unterwegs! auf einer auffahrt hielt plötzlich ein streifenwagen an. hier dürfen sie nicht stehen. aber es geht doch nur hier, sagte ich etwa. er antwortete:“ das muss dem schützen doch egal sein, wohin er schießt.“ irgendwie so. nazi, dachte ich. als der wagen weg war, stellte ich mich da wieder hin. der beamte war alt und der fahrer des streifenwagens war jung. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, was wohl der junge polizist gedacht hat. ich kam einigermaßen gut an die belgische grenze, da stand ich mit einem anderen tramper, ein auto hielt und der fahrer fragte, wo wir hinwollten. an die küste, wir wollen nach england. ich will eigentlich nur nach brüssel, aber ich fahre euch mal dahin. echt nett, der mann. angekommen in london hab ich mich dann in einem ersatzgebäude einer londoner jugendherberge befunden, ein altes fabrikgebäude in blackfriars, wo heute die tollen wohnungen sind. da musste man hin, da die jugendherbergen völlig überlastet waren. später erzählte ich einem mädchen mit meinen sparsamen englischkenntnissen, i made a roundabout in britain. sie verstand mich, eine tour bis zur schottischen grenze und dann zurück, ne kleine runde. einmal musste ich in eine pension, nichts ging mehr, darby heißt der ort. beim frühstück sollte sich jeder vorstellen, als ich dran war und sagte, dass ich aus deutschland sei, herrschte plötzlich ein betretenes schweigen. ein deutscher, in unserer pension. dann
kam ich in den lake destrict, dort war es so schön, dass ich gleich
mehrere tage blieb. ich lernte zwei jungs aus hildesheim kennen, mit denen
ich abends in die nahe kneipe ging. (jetzt die zweite haarstory.) an der
theke standen mehrere männer, arbeiter vll. der eine von ihnen hatte
schulterlange haare, eher noch länger, die anderen normale, würde
man damals und wohl auch heute sagen. ich dachte an verden und vermutete
(echt!), dass es jeden moment zu einer wilden schlägerei kommen würde.
aber nichts geschah. nichts!! Sie unterhielten sich einfach, ganz entspannt.
ich spürte förmlich, wie das 3. reich mein erleben in deutschland
geprägt hatte. (jahre später hab ich mal in zeven bei der post
einen jungen mann mit einem irokesenschnitt gesehen. ein alter mann auf
der anderen straßenseite sah ihn und lachte. ja, dachte ich, lachen
kannst da drüber, das finde ich ok.) wieder in london wollten welche zum festival, rock and blues hieß das wohl irgendwie. da kaufte ich mir auch ne karte und fuhr zum ersten mal auf ein festival. john mayall spielte da, kannte ich noch gar nicht. auch jethro tull kannte ich noch nicht, der später zu meinen favoriten gehörte. locomotive breath war ein hit von denen, die man in discos spielte,
wenn ich den DJ bei unserer kohltour machte, war das lied immer dabei. (und: als ich mit meiner kollegin karen h. in lüneburg mal beim tanz in den mai war, war jethro tull auch dabei. nach dem festival (nur ein tag?) kamen wir in london in der victoria station an. abends in einer kneipe, ich wechselte paar worte mit einem einheimischen und fragte den einen "naiv", ob er cockney sei; o, da hab ich wohl was falsches bzw dummes gesagt. er schwieg daraufhin.
60er 4 763?
|