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Die
P H Y S I K E R
Die
Viti-Aufführung und wie es 1976 dazu kam ...
Die
Geburtsstunde der Theater-AG des St.-Viti-Gymnasiuns
in Zeven
Sozusagen der Vorspann:
während meiner examenszeit habe ich an der schule in zeven schon
mal angefragt, ob ich ein paar stunden deutsch geben könne. die
haben mir sozusagen "die füße geküsst"! herr
knoop, der stellvertretende schulleiter, kriegte sich gar nicht mehr
ein. 50% unterrichtsausfall und da kommt einer her und will stunden
geben!!
zwei
klassen bat man mich zu übernehmen und die stunden sollte ich FR
und MO geben, damit ich in der woche in hannover sein kann (daran hatte
ich gar nicht gedacht). ich wählte mir zwei oberstufenklassen aus,
was sehr verwunderte, denn es hieß, die jüngeren klassen
seien doch leichter zu handhaben. durch das studium sei mir die oberstufe
näher, meinte ich.
die namensschilder waren in der ersten stunde sehr praktisch für
mich, so lernte ich die namen schnell. schul- und klassenerfahrung waren
mir völlig neu und da saß ich nach dem unterricht zu hause
und lernte begeistert ihre namen auswendig. mit dieser begeisterung
hatten sie nicht gerechnet. ich merkte es in der nächsten stunde
eigentlich sofort, dass sie ihre namensschilder vertauscht hatten. die
namen hatte ich ja gut auswendig gelernt und so redete ich die schüler:innen
trotz ihres falschen namensschildes mit richtigem namen an. das machte
aber eindruck!
es war ein schönes unterrichten, konflikte gab es eigentlich keine,
vielleicht einen:
in einer klassenarbeit hatte ich als interpretationsaufgabe das gedicht
todesfuge von paul celan genommen. das empörte eine besorgte
mutter und schrieb mir einen langen brief. die klasse bekam das mit
und reagierte betroffen; ich glaube, ich tat ihnen leid. die klasse
nahm es dem sohn der briefschreiberin auch etwas übel (man konnte
die stimmung spüren), aber ich wollte keine probleme, vor allem
nicht mit diesem schüler*. (spielt geige im stück)
ich wusste aber, warum ich dieses gedicht ausgewählt hatte und
antwortete der mutter mit einem ebenso langen brief, indem ich erläuterte,
warum ich dieses gedicht ausgewählt hatte. der inhalt ist natürlich
schrecklich, schrieb ich, aber ca achtzehn jahre alte schüler und
schülerinnen seien doch alt genug, um sich den verbrechen der deutschen
vergangenheit stellen zu können.
dass ich nicht, wie wohl erwartet, klein beigegeben hatte, verschaffte
mir respekt auf allen seiten und so war alles klar für unser späteres
abenteuer.
das
entwickelte sich aber erst langsam. bei der üblichen klassenlektüre
war ich in der auswahl völlig frei, so empfand ich das und so war
es. zunächst hatte ich mich für dramen-lektüre entschieden,
da man solche texte gut in verteilten rollen lesen kann und auf diese
weise viele schüler:innen dran kamen. bei der durchsicht der dramen
wollte ich dann doch nicht schiller nehmen (mein studium lässt
grüßen!), wallenstein - nein, bei allem respekt, den ich
vor schiller habe. - da fiel mir dürrenmatts die physiker
in die hände, dieses drama wollte ich schon immer mal lesen. jetzt
aber. ich lag gemütlich auf dem sofa und nach den ersten seiten
habe ich nur noch gelacht; ich konnte mich gar nicht mehr einkriegen!!
was für eine herrliche komödie, auch wenn einem bei der problematik
ganz anders werden konnte.
wie
mir dann die folgende eingebung kam, weiß ich nicht mehr.** denn
plötzlich hatte ich den gedanken, dass man so ein tolles stück
doch auch aufführen könne. nachdem wir in beiden klassen mit
der lektüre begonnen hatten, erzählte ich ihnen von meiner
idee, dass sie dieses stück aufführen sollten. erstmal waren
sie wenig begeistert, sie trauten sich sowas nicht zu, bemerkte ich
und überhaupt ;-) aber irgendwie ließ ich nicht locker und
so langsam machten sie sich mit dieser idee vertraut. und nach einiger
zeit waren sie dann sogar feuer und flamme. - wir fassten also
den beschluss, die physiker aufzuführen.
damit wurde der grundstein für die
theater-ag des viti gelegt.
jetzt
begannen die für so ein vorhaben üblichen fragen und probleme.
wann sollten wir das stück aufführen und vor allen dingen -
wo? wir hatten keine bühne!
wir sahen eigentlich nur eine möglichkeit: die turnhalle. da mussten
wir gleich zwei hürden überwinden. erstmal ging es um die genehmigung
des schulleiters, aber da waren wir zuversichtlich. hocherfreut waren
wir, als er unsere aufführungsidee gleich bewilligte. das hatte also
schon mal geklappt. aber dann kam die richtige hürde, das waren die
volleyball-spielenden kollegen des viti, eine verschworene gemeinschaft.
und ihr spieltermin, donnerstags 16 uhr - dieser termin war heilig!
was
tun? sollte ich doc schwarz fragen, den TuS vorsitzenden körner oder
den französischleher berding? ich habe nicht mehr in erinnerung,
wen ich fragte, aber sie bewilligten uns widerwillig (!) eine woche, (mal
sehen, was die da zustande bringen ...) das hieß: innerhalb einer
woche aufbauen, spielen, abbauen! das schaffen wir, sagten wir uns.
also los! wir begannen mit der rollenverteilung, wer wird schminken, wer
wird .... ach ja, was ist nun überhaupt mit einer bühne? der
schüler wilfried meldete sich und sagte, sein vater hätte ein
baugeschäft und er erklärte sich bereit uns zu helfen.
puuuh! das wäre geschafft, es konnte also losgehen. so kam eins zum
anderen und was mir sehr gefiel (schon ganz der lehrer!), dass nämlich
mit den verschiedensten arbeiten praktisch alle schüler:innen eingebunden
waren. alles war neu für uns und es machte viel spaß!
die
ersten proben fanden im rahmen des unterrichts statt. danach konnten wir
im großen kunstraum in kleiner gruppe üben, immer nur die,
die in der geprobten szene eine rolle hatten. wir mussten dann noch drei
schüler der 7. oder 8. klasse suchen, das ging erstaunlich schnell
und reibungslos.
nach den osterferien wurde es ernst. das baustellenmaterial wurde von
einigen schülern geholt und man konnte nur noch staunen - es entstand
eine richtige bühne. es wurde gehämmert und gesägt, selbst
für den soufleur wurde ein platz berücksichtigt. (ich hatte
einen soufleurplatz ins gespräch gebracht und war dann von der lösung
völlig überrascht worden - welch ein einfall. das ging natürlich
nur, weil wir die bühne komplett von grund auf errichten mussten.)
dann ging es um die technik! für die beleuchtung bekamen wir zugang
zur physik-sammlung. schüler e. hatte das schlüsselbund des
hausmeisters am gürtel (!) und organisierte den "physik-transfer".
(unser hausmeister war uns sehr behilflich; das muss erwähnt werden,
denn er hätte uns das alles sehr schwer machen können.)
für die leise sprechenden haben wir an mikrofone mit verstärkeranlage
gedacht. (ob wir die mikrofone wirklich brauchten? leider nicht.)
jedenfalls hatte die anlage zwischendurch etwas kurzwellenempfang, von
radio moskau, wie ich vorweg sagte. ich trug damals einen grünen
anzug (nicht knallig, sehr gedeckte farbe; das fand ich mal gut!).
und
so kam es zu unserer, in unserem verständnis und in unserer erinnerung,
herrlichen einmaligen aufführung von dürrenmatts die physiker.
der kommissar ist verzweifelt, die irrenärztin beruhigt den mörder.
der inspektor muss im irrenhaus einen mord aufklären. kann den geiger
aber nicht verhaften, weil er ja nicht zurechnungsfähig ist, jedenfalls
glaubte das jeder!
Möbius'
geschiedene Frau verabschiedet sich und seine drei Kinder spielen
zum Abschied
etwas auf der Flöte vor. (53")
die
ärztin von zahnd und die schwester martha boll
newton
ist sich mit dem kommissar einig
der verzweifelte
kommissar, hinter ihm der polizei-fotograf, der die meisten fotos der
aufführung gemacht hat
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unser publikum
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dr.
mathilde von zahnd ruft die insassen zur ordnung |
gefangen
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manche
bekamen von unseren aktivitäten nichts mit, aber viele freuten sich
über unsere aktivität.
die in arbeit befindlichen baupläne für einen erweiterungsbau
der schule sahen einen musikraum vor, den man als bühne benutzen
konnte. "damit sie weiter theaterstücke aufführen können,
wenn sie aus dem referendariat zurück kommen!" sagte einer der
lehrer, der mit den planungen befasst war. später wusste ich es dann:
damit hatte ich in diesen unsicheren zeiten (wegen meines faches gemeinschaftskunde;
zum studienbeginn DAS fach, fünf jahre später uninteressant
für die einstellenden schulbehörden) schon eine feste stelle.
da konnte ich in fulda, wo man mir sogar auch ne stelle angeboten hatte,
sagen, dass ich schon eine habe. hörte sich wohl hochmütig an,
war aber nur schlichte freude, dass ich schon ne stelle hatte, vor (!)
der 2. prüfung, wo viele um eine stelle bangen mussten.
das muss ich noch loswerden: ein französischlehrer, älter und
gesetzter, bat auf der ersten konferenz nach unserer aufführung ums
wort und sprach sehr ausführlich und ganz begeistert von unserer
aufführung. er lobte uns über den klee.
damit hatte ich überhaupt gerechnet, zumal nicht von ihm. er erwähnte
den inspektor, der bei ihm im unterricht nur ein eher schlechter schüler
war, aber in der rolle - wie schön, sagte er, dass man so einen schüler
so herrlich auf der bühne erleben kann.
was
für eine sensation für uns, ein stück - und dann noch dieses
- auf die bühne gestellt zu haben!
wir
haben unser abenteuer sogar gefilmt. mit einem VCR-gerät (schwarz-weiß,
aber relativ gute bildqualität. / ein system, eine entwicklungsstufe
vor VHS / Video2000 / betamax) und haben dann, die digitalisierung noch
nicht im blick, auf VHS (= das schlechteste system der drei setzte sich
leider durch) überspielt, mit hohem qualitätsverlust. als wir
digitalisieren konnten, da gab es das VCR-gerät nicht mehr!! so haben
wir leider nur die ganz schlechte VHS-qualität digitalisieren können,
ich habe einen kleinen ausschnitt verlinkt. nicht die stärkste szene,
aber für uns von historischen reiz, auch wenn den schauspielern das
schauspielen doch recht schwer fällt. möbius' kinder verabschieden
sich von ihrem vater mit einem flötenstück von buxtehude.(video
53") bei der dramatisch schlechten bildqualität der kopie
kann man sich ja an die fotos halten. es ist wohl müßig darauf
hinzuweisen, dass die kurze szene satirische züge hat.
die zevener zeitung war sehr zurückhaltend, der damalige chefredakteur
h. fragte mich, ob dass stück nicht zu anspruchsvoll für die
zevener bevölkerung sei. naja, denke ich, das ist doch irgendwie
beleidigend.
wie die volleyball-gruppe reagiert hat, weiß ich nicht mehr. ich
glaube, sie hatte aber gar nicht reagiert. aber ... ich bin mir nicht
sicher, denn ich vermische das vll mit einem ereignis viele jahre später
- nachdem man mich bat, der volleyball-gruppe beizutreten.
*
die mutter dieses schülers hatte einen bio-hof, zur zeit der physiker
völlig ungewöhnlich. vll war er deshalb ein ganz klein wenig
sonderbar.
... auf seite 64 blickt er als einstein auf seine ausbildung als geheimagent
zurück: " während man mir das geigen beibrachte: eine tortur
für einen völlig unmusikalischen menschen."
wer ihn kannte, der lachte darüber, denn er war sehr musikalisch
und wurde später musiklehrer.
wäre er 10 - 15 jahre später schüler gewesen, dann hätte
er es sicher etwas einfacher gehabt. "öko" war in der schülerschaft
in.
**
ich glaube, ich weiß es doch noch. als ich neulich mit meiner älteren
schwester telefonierte und sie herrn alpers erwähnte, fiel es mir
wie schuppen von den augen. herrn alpers, den wir geliebt haben, wir drei
geschwister hatten ihn der grundschule. in meiner vierten klasse sollten
wir ein theaterstück auf einem elternabend aufführen: "das
klinkesklanke lowesblatt". ich sollte die hauptrolle spielen. wir
lernten unsere rollen auswendig, probten szenen und bereiteten die aufführung
vor. - aber das stück wurde nicht aufgeführt. die gründe
hat man uns nicht genannt, weiß ich auch heute nicht. aber die enttäuschung
saß tief, denn wir wollten gerne aufführen!
ich glaube, durch diesen vergessenen (latent = sagt die psychologie) frust
wurde der gedanke des aufführens wieder wach, als ich dieses herrliche
stück von dürrenmatt las. bin mir ziemlich sicher!
wir haben ein programmheft erstellt, und das noch umsonst bzw durch werbung
finanziert. das titelbild eigentlich so, wie das buch damals aussah.
es
ist hier komplett einzusehen, mit unseren damaligen sponsoren
es gibt ein vorwort von mir, also die lehrersicht, und davor der beitrag
aus schülersicht. ich wusste von dem schülertext vorher nichts.
also
total authentisch!
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